In dieser Reihe teilt unser Autor Manuel Stark jeden zweiten Montag handwerkliche Regeln und Hinweise zum Schreiben. Wir feiern den Erzähl-Journalismus. Weil eine Party nur zusammen Spaß macht, teilen wir unser Wissen. Und freuen uns über Austausch. Gemeinsam für die gute Geschichte!
Kapitel2: Zitate – Wirkung durch Wortlaut
Zitate sind eines der wertvollsten Instrumente im Werkzeugkasten eines Schreibers. Sie können einen Text lebendiger machen und Wissen erzählerisch transportieren. Wenn man sie gut wählt. Setzt ein Autor Zitate willkürlich ein, ohne genaues Wissen um die Wirkung der zitierten Worte, bewirken sie das Gegenteil. Sie töten den Lesefluss.
Zahlen, Daten und Fakten in Zitaten zu vermitteln ist beliebt. Und ein Grundsatzfehler. Die sogenannte „Expertenstimme“ eignet sich gut für Radiobeiträge, ein Wissenschaftler beispielsweise nennt Daten und Fakten mit der eigenen Stimme. Das macht die Einordnung authentisch und verleiht dem Beitrag Seriosität. Das geschriebene Wort aber funktioniert nicht derart direkt über den Wechsel von Stimmfarbe und Sprachmelodie.
Hervorragende Zitate in einem Text wirken als Szenen. Besonders deutlich wird das in Dialogen, in denen kurze Sprach-Frequenzen von mindestens zwei Personen uns eine kleine Geschichte erzählen.
A: Komm sofort zurück!
B: Nein!
A: Du versaust dir dein Leben, wenn du das tust!
B: Was kümmert es dich? Du bist nicht meine Mutter!
A: Doch.
Weil sie Stimmung entfalten können, werden Dialoge oft als „beste“ oder „eleganteste“ Form des wörtlichen Zitats beschrieben. Das stimmt nicht. Herausragende Zitate können völlig abseits eines Dialogs stehen und den Leser dennoch mit der Wucht eines Peitschenhiebs treffen. Wenn sie als Szene gedacht werden und als solche funktionieren. Der Vorteil eines jeden Dialogs ist: Er zwingt Zitate in Szenen.
Ein gutes Zitat verrät dem Leser etwas über die Stimmungslage oder die Meinung des Sprechers, im besten Fall enthüllt es einen Teil seines Charakters.
Merksatz:
Gute Zitate wirken als Szenen, sie sind Teil einer Handlung oder enthüllen etwas über die Meinung, Stimmungslage oder die Persönlichkeit der zitierten Person.
Beispiele:
– Ihr erstes Mal war auf einem Bett in Offenburg, in einem unaufgeräumten Jungenzimmer. Sie sagte ihm: „Das ist mein erstes Mal.“
„Soll ich Kerzen anmachen?“
„Nicht nötig.“ (Britta Stuff – Die junge Frau, die keine Erregung empfindet, WELT)
– „In das schicke Zeug muss ich heute noch früh genug“, sagt mein alter Lehrer. Er greift sich eine Anzugjacke, zieht sie nicht an und steigt ins Auto, wie ich ihn kenne: in Pulli und ausgewascherner Jeans. (Manuel Stark – Schulfrei, Schade, DIE ZEIT)
– Der Junge nimmt die Parfumflasche aus seinem Rucksack und besprüht die Ameisen und Blumen am Wegesrand. „Jetzt riechen sie gut“, sagt er, während sich die Insekten krümmen und verenden. (Karl Grünberg – Kinder in Not, Tagesspiegel)