Gift & Gegengift

In Kenya werden jedes Jahr Tausende Menschen von Schlangen gebissen. Kamele sollen sie retten.

Erschienen in REPORTAGEN, September 2023

Zwischen gleissendem Sonnenlicht und Finsternis liegen im kenyanischen Rift Valley nur Augenblicke. Die Konturen ihrer Hütte verschwammen schon, als Cheploke Ripokamar hinausging, um ihre Ziegen zu melken. Dass sich im Gehege ein weiteres Tier befand, eingerollt auf der sandigen Erde, bemerkte sie erst, als ihr nackter Fuss auf den Körper der Puffotter trat. Die Schlange riss ihren Kiefer auf und rammte die Fangzähne tief in Cheplokes Fuss. Die junge Frau schrie, versuchte, den Kopf der Schlange abzuschütteln. Die Kette aus weissen Holzperlen um ihren Hals klackert, wenn sie heute, neun Monate später, ihre Bewegungen von damals wiederholt.

Ezra Ewoi hatte sich eine Pause verdient. Seit Stunden hob er auf einer Baustelle ein Wasserloch aus. Der junge Mann setzte sich auf einen Stein. Hitze schoss ihm in den Kopf, und als er nach hinten kippte, streckte er reflexhaft seine Hand aus, um sich aufzufangen. Er fühlt noch immer die feste, trockene Haut der Schlange am Handballen, verzieht das Gesicht, wenn er sich an das scharfe Stechen beim Biss erinnert. Seine dunkel untermalten Augen zeugen vom nur knapp gewonnenen Überlebenskampf.

Lange vor den beiden hatte es Chepositem Pkopus’ Baby ge­troffen. Es schrie, liess sich einfach nicht beruhigen. Chepositem, damals noch ein Teenager, machte das Keuchen des Kindes Angst. Sie weckte die ältere Ehefrau ihres Mannes, und die beiden entschieden, ­mitten in der Nacht zum nächsten Krankenhaus aufzubrechen. Als sie an der Hauptstrasse ankamen, die zum Krankenhaus führt, war das Baby tot. Zurück in der Hütte, sank sie zu Boden. Da sah sie die aufgestellte Speikobra, die Bänder längs ihres Nackens ausgefahren. Die Giftschlange schnellte vor und biss Chepositem in die Schulter.

[…]

Der ganze Text hier oder in REPORTAGEN #72