Ärzte und ihre Grenzen

Ein französisches Gesundheitszentrum hat sich zum Ziel gesetzt, gerechte Medizin zu praktizieren. Kann das funktionieren?, fragt unsere Autorin, selbst werdende Ärztin.

Erschienen in REPORTAGEN, Juli 2022

Diese Geschichte beginnt mit einer Autofahrt auf dem Rücksitz eines blauen, zerbeulten VW-Busses. Hinaus aus Marseilles Zentrum, weg vom malerischen alten Hafen, den Museen und dem Meer. Vorbei an arabischen Fleischereien, Obstläden; die Schicht aus buntem Plastikmüll, die Strassengräben und Grünstreifen bedeckt, wird immer dicker, rechts und links vorbeizischende Scooter hupen immer aggressiver. Dann hinauf auf die Autobahn. Bis hinter den Lärmschutzmauern voller greller Graffiti die ersten schmutziggrauen Betontürme auftauchen, manche nur einige Stockwerke hoch und so nah, dass die auf den Balkonen trocknende Wäsche fast greifbar scheint, andere über sechzig Meter in die Luft ragend, verloren in der weiten Landschaft, als hätte sie jemand dort abgesetzt und vergessen.

Cités nennen die Franzosen diese Sozialwohnungssiedlungen, sie sind Symbol für Armut und Elend, Aussichtslosigkeit und das réseau, das alles durchziehende Netz des Drogenhandels. Eine dieser Cités heisst in kaum zu überbietendem Zynismus Kalliste, «die Schöne» auf Altgriechisch: neun Rechtecke, alphabetisch durchbuchstabiert. Die Gebäude sind von jahrelanger Verwahrlosung gebrandmarkt, H und B wurden bereits abgerissen. Meterhoch kriechen schwarze Schimmelflecken die Fassaden hinauf, die Balkone wirken absturzgefährdet. Und zwischen all diesem Beton steht, umgeben von Bäumen und einem Garten, ein rotes, dreistöckiges Landhaus, mit Dachfirst und einer schiefen Treppe aus hellgrauem Stein: das Château en Santé, das Schloss der Gesundheit.

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Der ganze Text hier oder in REPORTAGEN #65