Domiziana: Wie man per TikTok die Spitze der Charts erklimmt

Wir haben die Frau hinter dem Megaerfolg „Ohne Benzin“ getroffen. Erschienen in Vice, Juli 2022 „Ohne Benzin“ ist Domizianas einziger Song. Und wahrscheinlich auch der einzige Song für uns, der einzige Song für mich und meinen Sommer. Der Beat passt zu meinen Schritten, wenn ich zwischen Parks und der Bar und dem See am nächsten Morgen wechsle. Ich weiß, dass mir der Sommer steht. Über 36 Millionen mal wurde „Ohne Benzin“ bislang auf Spotify gestreamt. Autotune, schneller Beat, ein catchy Refrain für TikTok. Alles passt zu gut zu unserem Jetzt. Und alles, was so gut zu unserem Jetzt passt, scheint fast konstruiert. Ihr Pony wirkt maßgeschneidert. Ich stelle mir vor, wie ihr jeden Morgen ihre Outfits so angezogen werden, wie Köchinnen in Sternerestaurants die Blumen und Kräuter auf dem Teller anrichten, mit einer Pinzette. „Ohne Benzin“ und die Persona Domiziana sind präzise.  Bis vor kurzem kannte sie noch niemand. Veröffentlicht hat sie bis zu unserem Treffen nur zwei Titel – „Ohne Benzin“ und eine schnellere Version desselben Songs. Mit „Ohne Benzin (1,1 Speed Version)“ wurden auf TikTok schon über 116.000 Videos untermalt. TikTok hat den Weg zum musikalischen Erfolg verändert. Der Algorithmus ist unvorhersehbar. Und plötzlich sind Songs populär, deren Refrain sich einfach unter Videos loopen lassen. Weil „Ohne Benzin“ auf der Plattform so beliebt war, landete der Song  an der Spitze der deutschen Charts.  Ihre PR-Managerin sitzt vor einem Café in Neukölln. Die Fransen der rosafarbenen Sonnenschirme flattern im Wind. Domiziana sei gerade noch auf Toilette. Wir setzen uns gegenüber voneinander hin. Sie wäre froh, wenn nur wenig über das Thema TikTok gesprochen würde, sagt ihre Managerin. […] Der ganze Text hier.

Homecoming: Zürich

Die Häuschen an der Limmat sind fein säuberlich aufgereiht – wie die Hähnchen und Rinderfilets in den Kühlschränken der Globus Delicatessa. Erschienen in Vice, Dezember 2021 Ich bin nicht in Zürich aufgewachsen. Ich habe aber einige Jahre dort gewohnt, bevor ich nach Berlin gezogen bin. In Zürich habe ich angefangen, jemand zu werden. Wenn die wachsenden Arme und Beine plötzlich proportional mit dem Körper übereinstimmen, dann darf man das mit dem Leben endlich mal ein bisschen ausprobieren. Zürich war also mal dafür da, damit ich etwas ausprobieren konnte. Und jetzt ist Zürich dafür da, damit ich etwas vermissen kann. Wenn ich sage: „Ich fahre nach Hause“, dann meine ich Zürich. In Zürich wurde ich cool, das findet zumindest ein Freund von mir. Er kennt sogar den genauen Moment. Als ich nach einer Garderobenschicht um 8 Uhr morgens bei einer Hausparty auftauchte, bei der man mit einer Leiter über den Balkon reinklettern musste. Auf dieser Leiter wurde ich also cool und eine halbe Stunde später sehr betrunken. Versucht habe ich es davor aber schon oft. Also das Coolwerden. Einen starken Drang cool zu sein, hatte ich das erste Mal, als ich S kennengelernt habe. Die Personen in diesem Text sind anonym, weil sie ihr Partyverhalten nicht offenlegen wollen. An S denke ich manchmal, auch wenn wir eigentlich kaum noch Kontakt haben. Im Sommer zum Beispiel. Im Sommer schaute ich diesen Film, in dem sich mittelmäßige, depressive Männer die ganze Zeit ermutigend auf die Schulter klopfen. Der Kinosessel klappte nach hinten, wenn ich mich zurücklehnte. Ich wollte dann gerne meine Füße aus meinen Schlappen ziehen und sie auf den Sitzlehnen der Reihe vor mir abstützen. Doch dann entschied ich mich dagegen. Denn bei mir würde das nicht cool aussehen, sondern so als könnte ich mich nicht benehmen. Eine Frau wie S könnte das. Ihre Wohnung liegt im Kreis 1. Ich hatte ganz in der Nähe in einem Imbiss für gesunde Salate und Bowls gearbeitet und das ständige Lächeln gelernt.  […] Der ganze Text hier.

Warum es besonders wehtut, von diesem Sommer Abschied zu nehmen

Der Sommer ist bald vorbei und ihr müsst wieder bei jedem Schluck Weißwein seufzen. Erschienen in Vice, September 2021 Ich bin in Rom und es ist meteorologischer Herbstanfang. Ich habe elf Mückenstiche. Die Stechmücken halten sich nicht an den Herbstanfang, also tue ich es auch nicht. Ich schwitze weiter vor mich hin, als wäre es nicht bald Oktober. Auf meinem linken Oberschenkel zähle ich vier Mückenstiche, zwei auf meinem Bauch, fünf auf Füßen und Knöchel. Vielleicht sind es eigentlich mehr, aber ich kann meinen Kopf nicht richtig drehen, um meinen Rücken im Spiegel zu begutachten. Dort könnten noch einige sein. Aber ich habe Muskelkater. Ich habe mich vor ein paar Tagen verrenkt und schlecht im Bett dieses Typen geschlafen. Er könnte vielleicht als Summer Romance durchgehen, wäre es die letzten Monate nicht so kalt gewesen. Ich sei es auch, hat er mir gesagt. Kalt. Vielleicht kommt der Muskelkater auch vom Wandern. Eins von beidem. Es ist ja schließlich gerade noch Sommer. Man ist immer entweder verknallt oder draußen. Demnach habe ich eigentlich alles richtig gemacht. Doch ich bin immer unzufrieden mit meinem Sommer. Ich habe dieses Jahr keinen Sonnenbrand bekommen und jetzt ist es wahrscheinlich zu spät, um noch an einem zu arbeiten. Nur zweimal bin ich an den See gefahren. Wahrscheinlich, weil ich es hasse, mit dem Fahrrad in eine S-Bahn zu steigen und mir an den Pedalen die Schienbeine aufzuschürfen, wenn sich Leute an mir vorbeidrängen. Trotzdem kommt mir zweimal zu wenig vor. Vielleicht darf ich den Sommer gar nicht verabschieden, wenn ich ihn gar nicht wirklich begrüßt habe. Nur eine Nacht habe ich komplett draußen verbracht. Ein paar Freunde und ich sind nach Brandenburg in einen Wald gefahren, um zu tanzen. An dem Abend waren wir so gut im Mückenstiche bekommen und unsere Jacken zu Hause vergessen, als würden wir das ganze Jahr nichts anderes tun. […] Der ganze Text hier.

Ich habe die Männer zur Rede gestellt, die mich geghostet haben

„Irgendwie habe ich vergessen zu antworten, weil es mir einfach nicht so wichtig war.“ Erschienen in Vice, April 2020 Ich habe den ganzen Tag am See verbracht und sitze in der S-Bahn nach Hause. Mein Handy liegt seit Stunden ganz unten in meiner Tasche. Es ist Juni und der morgige Sonnenbrand glüht heiß auf meinen Schenkeln. Ich fische mein Handy aus der Tasche. Ein paar Whatsapp-Mitteilungen begrüßen mich. Darunter auch die eines Typen, der mich in einem Café angesprochen hatte: „Hey, wie geht’s? Was machst du heute Abend? Würde dich gerne sehen.“ „Sorry, war nicht am Handy. Digital Detox ist doch gerade super trendy. Aber wir können gerne nächste Woche mal was machen?“, antworte ich und höre seitdem: Nichts. Auch nicht am nächsten Tag. Irgendwie ist man dann ja immer überrascht. Obwohl ich nicht die Person war, die vorgeschlagen hat, Lines von einem Benjamin von Stuckrad-Barre Buch zu ziehen, bin ich die, die geghostet wird. Ob es sich bei einem beendeten Nachrichtenaustausch schon um Ghosting handelt, definiert jeder für sich selbst. Für mich ist es dann Ghosting, wenn ich auf eine explizite Frage, mit welcher ich ein potentielles, nächstes Treffen anspreche, keine Antwort bekomme. Edition F beschreibt es als Schlussmachen, ohne Schluss zu machen: Eine Person bricht plötzlich den Kontakt mit jemandem ab, ohne Erklärung. Statt ihm nochmal zu schreiben, klammere ich mich an mein letztes Fünkchen Stolz. Dabei will ich ihm erzählen, dass ich mit sieben das letzte Mal ein Batik-Oberteil getragen habe. Oder dass ich nie Lowrise-Jeans hatte. Schließlich ist es doch eine Leistung, den wiederauftretenden Modesünden zu widerstehen. Na Lukas, findest du das nicht bewundernswert? Irgendwie bin ich einfach schon ein ziemlicher Fang. Dennoch schreibe ich nichts. Eine Woche lang male ich mir aus, wie er irgendwann auf Instagram ein Video postet, in dem er und seine zukünftige Freundin, untermalt von einem Rihanna-Remix, Händchen haltend Longboard fahren. Ich bin erleichtert, dass ich nicht mit seiner schwitzigen Hand in meiner in den Sonnenuntergang rollen muss. […] Der ganze Text hier.