Einst galt sie als Königsdisziplin des Journalismus, dann wurde sie dank SPIEGEL-Skandal geschmäht und schließlich in ein redaktionelles Korsett aus formalen Vorgaben und inhaltlichen Einschränkungen gezwängt. Doch wir finden: Die Reportage könnte nach wie vor der Brückenschlag zwischen Journalismus und Literatur sein – so wie in anderen Sprachen üblich.
Eine Form, in der Wirklichkeit und Fakten durch literarische Mittel destilliert werden – bis daraus echte Leseerfahrung entsteht. Wozu braucht es sonst noch lange Erzähltexte, wenn es Podcasts, Doku-Serien und YouTube gibt? Nur eine Reportage, die die Möglichkeiten des geschriebenen Wortes ausschöpft, hat bei der Medienkonkurrenz der Gegenwart eine Daseinsberechtigung .
Zum Glück erscheinen nach wie vor Texte von Reportern und Reporterinnen, die sich zu engen Vorgaben widersetzen. Reportagen, die eigen klingen, individuell, genauso wie die wahren Geschichten, die sie erzählen. Die eine Form wagen, die der beschriebenen Wirklichkeit gerecht wird – statt in den immergleichen, abgeklärten Reportersound zu verfallen. Hin und wieder tauchen sie dann doch noch in den Printmedien auf.
Und genau solche Texte suchen wir!
Aber das hier ist kein Aufruf für den hundertsten Journalistenpreis.
Wir wollen vielmehr gemeinsam mit euch die Vielfalt und das Potenzial dieser Gattung ausloten. Darum planen wir eine Anthologie mit Reportagen, die in ihrer Form bewusst gestaltet sind. Texte, die eigenwillig klingen, Charakter zeigen – und gerade dadurch der Wirklichkeit näher kommen.
Aus allen Einsendungen wählen wir eine möglichst große Bandbreite aus. Doch es wird keine Gewinner geben, keine Pokale, keine Siegerfotos. Wir wollen die Form feiern, die Vielfältigkeit des Erzähljournalismus.
Zur Veröffentlichung der gemeinsam entstandenen Anthologie organisieren wir stattdessen eine kleine Feier, zu der alle herzlich eingeladen sein werden.
Konkreter heißt das, wir suchen ab jetzt alles außer:
• Reportagen, die nach szenischem Einstieg im dritten Absatz ein Portal stehen haben.
• Reportagen, die echte Menschen auf zwei bis drei Äußerlichkeiten reduzieren, statt in Lebenswirklichkeiten einzutauchen.
• Reportagen, die in starren Dramaturgien verharren.
• Reportagen, die klingen, als hätte man ChatGPT gebeten, eine Reportage zu schreiben.
• Reportagen, die sich in immergleichen Erzählmustern verfangen.
Wenn dir jetzt eine eigenwillige (literarische) Reportage einfällt, die 2020 oder später erschienen ist, schreibe uns bitte an info@hermes-baby.de. Einfach den Text als Datei oder Link. Im besten Fall noch ein-zwei Sätze, warum du diesen Text einreichst. Eigenbewerbungen sind ausdrücklich erwünscht. Sollte der Text nicht von dir stammen, werden wir natürlich mit den Autoren und Autorinnen in Kontakt treten, falls wir uns für eine Veröffentlichung entscheiden.
Danke dir für deine Unterstützung bei diesem Projekt!
Deine Hermes Babys